26.05.12

Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1572/10: Gerichtliche Anordnung von Psychotherapie ist unzulässig

 
 
Am 1. Dezember hat das Bundesverfassungsgericht erneut  zur Frage von Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht Stellung bezogen:

Es ging um die Frage ob Begutachtungen bzw. eine Psychotherapie vom Jugendamt bzw. von den Familiengerichten angeordnet werden darf.


Ergebnis:  Ein Jugendamt bzw. Familiengericht darf weder eine Begutachtung, noch eine Psychotherapie "verordnen". Einer solchen Anordnung fehlt die zwingend notwendige gesetzliche Grundlage und verstößt daher gegen die Grundrechte der Betroffenen.
 

Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt zur "Zwangstherapie" eines Elternteils aufgehoben und für verfassungswidrig erklärt.

Rechtsanwalt Thomas Saschenbrecker, Karlsruhe-Ettlingen, spezialisiert auf Familien- und Betreuungsrecht, sowie >Karen Petroschka, Darmstadt spezialisiert auf Familien- und Arzthaftungsrecht haben die Verfassungsbeschwerde als Bevollmächtigte für eine betroffene Mutter geführt.

Erneut hat das BVerfG dabei darauf hingewiesen:

Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht mittels Gutachten oder Anordnungen zur Durchführung von Psychotherapie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage.


Randnummer 14 aus dem Urteil:
"aa) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG 65, 1; 80, 367). Hierzu zählt auch der Schutz vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Einzelnen (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194 f.>; 89, 69 <82>). Der Schutz ist umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 f.>; 65, 1 <45 f.> ; 89, 69 <82 f.>)."
Eine Psychotherapie, als auch medizinische oder psychologische Gutachten berühren den höchstpersönlichen und grundrechtlich geschützten privaten Lebensbereich und greifen damit in die Grundrecht aus Art. 2 und Art. 1 Grundgesetz ein:

So stellt das BVerfG unter Rdnr. 15 fest:
Ungeachtet der konkret angewandten Form der Psychotherapie besteht ihr Ziel darin, im Wege der Interaktion mit dem Therapeuten persönliche Verhaltensweisen und/oder bestimmte Persönlichkeitsstrukturen zu ändern, um psychische Störungen oder Leiden zu mindern oder zu beheben. Eine solche Behandlung erfordert regelmäßig eine stete Analyse der seelischen Verfassung und persönlichen Denkweisen des Patienten durch den Therapeuten und verlangt vom Patienten seinerseits eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst. Sie berührt damit den höchstpersönlichen, durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich des Betroffenen. Dieser umfasst auch den Willen und die Entscheidung des Einzelnen, sich einer psychotherapeutischen Einflussnahme auf die eigene Persönlichkeit zu unterwerfen oder aber dies nicht zu tun.





Wishes to Thomas Szasz & Daniel Mackler. Ethical Psychology. Besonderen Dank an Anwaltskanzlei Dr. Schneider-Addae-Mensah. Menschenrechte.

http://citisite.wordpress.com/betreuer-stefan-weinrich-keine-einsicht-in-rech...
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Tags: Beratung über verfassungswidrigen Freiheitsentzug zum Karlsruher Urteil

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Weiterführende Links:
 
Urteil des BVerfG: BVerfG, 1 BvR 1572/10 vom 1.12.2010, Absatz-Nr. (1 - 27),
>http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101201_1bvr157210.html

RA Saschenbrecker zum Thema Zwangspsychiatrisierung in Mona Lisa (ZDF):
ML Mona Lisa: >"Leben im rechtsfreien Raum"

Aufsatz von RA Saschenbrecker und René Talbot: Wie die Vorsorgevollmacht

>das Selbstbestimmungsrecht umfassend sichern kann - Stellvertretung durch eine Vorsorgevollmacht und elterliche Rechte - ein Vergleich

Kommentar von RA Saschenbrecker zum
>OLG Celle Urteil gegen Zwangsbehandlung: ein fantastischer Sieg der Grundrechte:
Zu "Zwangsbehandlungen" gibt es weitere Informationen hier: >http://www.psychiatrierecht.de/
"...ist eine Zwangsbehandlung auf betreuungsrechtlicher Grundlage rechtlich nicht zulässig und daher nicht genehmigungsfähig."


Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zur "Zwangsbegutachtung":  >1 BvR 683/09

Sind Sie Betroffene(r) einer Zwangsbegutachtung oder Zwangstherapie? Dann dürfte sich Ihr Rechtsanwalt/ Ihre Rechtsanwältin für die o.g. BVerfG-Urteile interessieren. 
 
 

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