02.06.12

Umgangsrecht für leibliche Väter Gesetzentwurf für Freizeitväter von Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz

Umgangsrecht für leibliche Väter

Gesetzentwurf für Freizeitväter

02.06.2012
Vater und Sohn beim Angeln
Das Bundesjustizministerium will die Rechte der leiblichen Väter gegenüber ihren Kindern stärken. 

Umgangsrechte sollen die außerehelichen Liebhaber bekommen, Informationen von der Mutter und ihrem Mann fordern dürfen. Ein gemeinsamer sonntäglicher Besuch im Zoo aber macht noch keinen Vater, meint Herbert Grziwotz. Und befürchtet, dass der Lover der Frau bald mit am familiären Kaffeetisch sitzt.
 
Laut einer Statistik haben 44 Prozent aller Frauen ihren Partner schon einmal betrogen. Aus diesen Seitensprüngen resultieren, auch wenn amtliche Zahlen fehlen, zwischen 5 und 10 Prozent der jährlich geborenen Kinder. Statistisch gesehen sitzt somit in jeder Schulklasse mindestens ein Kind, dessen rechtlicher Vater nicht der leibliche ist. Die Rechte der biologischen Väter will das Bundesjustizministerium (BMJ) nun mit einem Gesetzentwurf stärken. Ziel ist es, ihnen, wenn sie noch keinen engen Bezug zu ihrem  Kind haben, ein Recht auf Umgang mit ihm zu geben.
Gleichzeitig soll der biologische Vater ein Auskunftsrecht gegenüber dem rechtlichen Vater und der Mutter über die persönlichen Verhältnisse des Kindes erhalten, welches das BMJ in einer neuen Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1686a BGB) verankern will.
Zur Verwirklichung dieser Rechte soll der möglicherweise-biologische Vater die Möglichkeit haben, seine Vaterschaft klären zu lassen. Hierzu will das Ministerium von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein familiengerichtliches Verfahren (§ 163a des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FamFG) einführen, um die notwendigen Untersuchungen zur Klärung der biologischen Vaterschaft durchführen zu können. Der rechtliche Vater und die Mutter müssen diese Untersuchungen dulden.


Die europäischen Vorgaben: Wer sich kümmern will, hat (Umgangs-) Rechte

Hintergrund dieses Gesetzentwurfs sind zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urt. v. 21.12.2010, Az. 20578/07 - Anayo ./. BRD und Urt. v. 15.09.2011, Az. 17080/07 - Schneider ./. BRD).
Die deutschen Gerichte hatten in beiden Fällen, in denen verheiratete Frauen außereheliche Beziehungen hatten und daraus (möglicherweise) Kinder resultierten, die rechtlich dem Ehemann der Mutter zugewiesen wurden, hinsichtlich des Umgangsrechtes eindeutig entschieden. Die rechtliche und gelebte Elternbeziehung hat Vorrang vor der Vaterbeziehung, die allein auf Abstammung beruht. Deshalb hatte  die deutsche Justiz sowohl dem nachweislichen Vater von Zwillingen als auch dem Ex-Geliebten einer Ehefrau und potenziellen Vater eines Kindes, der diese aber mindestens zu zwei ärztlichen Schwangerschaftsuntersuchungen begleitet und beim Jugendamt die Vaterschaft des ungeborenen Kindes anerkannt hatte, jeweils das Umgangsrecht mit den Kindern verweigert
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) judizierte anders. Die Entscheidungen der deutschen Gerichte griffen in die Rechte des jeweiligen Beschwerdeführers aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein, so die Straßburger Richter. Die Väter hätten ihr Interesse an der Mutter deutlich gemacht und beabsichtigt, eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen.
Diese Absicht fällt nach Meinung des EGMR in den Geltungsbereich des "Familienlebens". Zumindest aber betreffe die Frage, ob der jeweilige biologische Vater ein Umgangs- und Auskunftsrecht beanspruchen kann, einen wichtigen Teil seiner Identität und folglich sein "Privatleben" im Sinne dieser Bestimmung.
Die deutschen Gerichte müssen daher laut den europäischen Richtern  untersuchen, ob ein Umgangs- und Auskunftsrecht des biologischen Vaters unter den in beiden Fällen vorliegenden besonderen Umständen im Kindeswohlinteresse liegt. Außerdem müssten, um ein Umgangsrecht zu rechtfertigen, die Interessen des biologischen Vaters ausnahmsweise als denjenigen der rechtlichen Eltern übergeordnet angesehen werden. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass die biologischen Väter nicht in der Lage waren, die Beziehung zu den Kindern zu beeinflussen.


Deutschland gibt der Regel kein Umgangs- und Auskunftsrecht

Nach geltendem deutschem Recht dagegen kann der biologische Vater lediglich als enge Bezugsperson ein Umgangsrecht mit seinem Kind haben (§ 1685 BGB). Voraussetzung ist allerdings, dass er für dieses tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat, also eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestand. Der Umgang mit ihm muss zudem dem Wohl des Kindes dienen. Es reicht nicht aus, wenn er lediglich mit der Mutter eine außereheliche Beziehung hatte.
Konnte der biologische Vater zu seinem Kind keine solche enge Bindung aufbauen, bleibt ihm der Kontakt verwehrt. Dies gilt unabhängig davon, ob dies an ihm liegt oder an der Mutter und dem rechtlichen Vater.
Der biologische Vater hat auch keine Auskunftsrechte hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Kindes. Diese stehen nur den rechtlichen Eltern zu (§ 1686 BGB). Der biologische Vater ist also darauf angewiesen, dass die rechtlichen Eltern ihn freiwillig über die Entwicklung seines Sprösslings informieren. Weigern sie sich, kann er eine Auskunft nicht beim Familiengericht durchsetzen.
Lediglich für den rechtlichen Vater besteht auch gegenüber Mutter und Kind ein Anspruch (§ 1598a BGB) auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Entnahme einer für diese Untersuchung geeigneten genetischen Probe (Blut, Speichel etc.). Der biologische Vater hat solche Ansprüche nicht.

Die soziale Elternschaft geht vor

Er kann aber auch nach deutschem Recht bereits die Vaterschaft des Ehemannes der Frau anfechten (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Voraussetzung ist, dass der biologische Vater an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit, wie dies im Gesetz so schön heißt, beigewohnt zu haben.
Zum Schutz der gewachsenen familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern fordert das Gesetz (§ 1600 Abs. 2 BGB) zusätzlich, dass zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht, oder wenn dieser bereits verstorben ist, im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat. Der deutsche Gesetzgeber räumt also der durch Art. 6 GG geschützten sozialen Elternschaft des rechtlichen Vaters den Vorrang vor einer Vaterschaft aufgrund Abstammung ein.
Dies hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Urt. v. 22.3.2012, Az. 45071/09 u. 23338/09) im Sinne des Schutzes der sozialen Elternschaft akzeptiert. Zudem kann der biologische Vater die Anfechtung nur erklären, wenn er gleichzeitig seine Vaterschaft anerkennt und damit Verantwortung für das Kind übernimmt.


Erweiterter Dialog in der Familie: Der Lover am Kaffeetisch?

Schon mit dem Verfahren der Abstammungserklärung hat der Gesetzgeber Neuland betreten und sich davon eine Stärkung des familiären Dialogs erhofft. Der bekannte Regensburger Familienrechtler Dieter Schwab hat eingehend glossiert, dass sich beim sonntäglichen Nachmittagskaffee die Eltern mit ihren Kindern zusammensetzen und der rechtliche Vater, nachdem er von der erwähnten Statistik im Internet Kenntnis genommen hat, bittet, doch einmal einvernehmlich einen Vaterschaftstest durchzuführen.
Mit der neuen Rechtslage geht die Bundesjustizministerin einen Schritt weiter. Zu dem familiären Nachmittagskaffee mit Dialog wird nun auch der Liebhaber der Mutter eingeladen. Auch er kann jetzt den Nachweis darüber fordern, welcher Mann bei der Weitergabe seines Erbgutes erfolgreicher war. Ob dies tatsächlich dem familiären Frieden und dem Dialog in der Familie dient, darf bezweifelt werden.
Der Entwurf des Bundesjustizministeriums geht zudem weit über die Sonderfälle, über die der EGMRK zu entscheiden hatte, hinaus. Er gewährt nämlich dem außerehelichen Liebhaber der Mutter schon dann, wenn er tatsächlich Verantwortung für das Kind übernehmen will, einen Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft. Hat das Ehepaar weitere Kinder und wächst das im Ehebruch gezeugte Kind gemeinsam mit diesen auf, ohne dass der Seitensprung der Mutter bisher aufgedeckt wurde, können sich auch Folgen für die Geschwister des außerehelich gezeugten Kindes ergeben. Das BMJ stellt hinsichtlich des Umgangs- und Auskunftsrechts des biologischen Vaters auf das Wohl des betroffenen Kindes ab, nicht jedoch auf das der Familie insgesamt.


Vom Liebhaber zum Freizeitvater

Der Feststellung der biologischen Vaterschaft soll statusrechtlich keine Wirkung zukommen. Der biologische Vater hat dann ein Recht auf Umgang. Demgegenüber wird das Umgangsrecht mit den rechtlichen Eltern als Umgangsrecht des Kindes definiert. Dieses hat ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 BGB).
Unterhaltspflichten des biologischen Vaters sieht der Entwurf nicht vor. Auch Erb- und Pflichtteilsrechte des Kindes gegenüber seinem mit ihm umgangsberechtigten biologischen Vater sind mit den erweiterten Vaterrechten nicht verbunden. Faktisch bedeutet das, dass der Ex-Liebhaber der Mutter ab und zu das Kind besuchen, zum Tierparkbesuch und für das Kino abholen und über die Noten und die schulische Entwicklung Auskunft verlangen kann.
Ist das Kind krank, braucht es Unterstützung bei den Hausaufgaben oder treten sonstige Probleme auf, die in der Kindererziehung nicht selten sind, ist der rechtliche Vater zuständig. Ob diese bereits im Namen des Entwurfs zum Ausdruck kommende Euphorie einer Stärkung von Rechten des biologischen Vaters ohne entsprechende Pflichten der Familie dient, ist höchst fraglich.


Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen.

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