20.08.12

ADHS und andere psychische “Massenleiden” bei Kindern




Im “Spiegel” Nr. 31 vom 31. 07. 2012 ist ein hochinteressantes Interview mit dem renommierten Harvard-Entwicklungspsychologen Jerome Kagan abgedruckt, der Platz 22 der bedeutendsten Psychologen des 20. Jahrhunderts einnimmt. 

Kagan tritt mit deutlichen Erkenntnissen und – in besagtem Interview – Antworten am Beispiel der USA die Beweisführung an, wie gewissenlos die Zunft der Psychotherapeuten in weiten Teilen mit unreflektierten Diagnosen und Psychopharmaka-Verschreibungen das Wohl Abertausender Kinder riskiert. Im Folgenden ein Auszug aus dem Interview:


“… Spiegel: In den sechziger Jahren waren psychische Störungen bei Kindern nahezu unbekannt. Heute ist offiziellen Angaben zufolge jedes achte Kind in den USA psychisch krank. 

Kagan: Richtig, aber das liegt vor allem an der schwammigen Diagnosepraktik. Lassen sie uns fünfzig Jahre zurückgehen und einen siebenjährigen Jungen anschauen, der sich in der Schule langweilt und den Unterricht stört. Heute sagt man, er leide an ADHS. Deshalb sind die Zahlen so hochgeschnellt.

Spiegel: Experten sprechen davon, dass 5,4 Millionen Kinder, die für das Zappelphillip-Syndrom ADHS typischen Symptome zeigen. Und sie wollen uns sagen, dass es sich bei dieser psychischen Krankheit um nur eine Erfindung handelt?

Kagan: Korrekt, sie ist eine Erfindung. Jedes Kind, das schlecht in der Schule ist, wird heutzutage zum Kinderarzt geschickt, und der sagt: Es ist ADHS, und hier ist Ritalin. Dabei haben 90 Prozent dieser 5,4 Millionen Kinder gar keinen gestörten Dopamin-Stoffwechsel. Das Problem ist: Wenn Ärzte ein Medikament zur Verfügung haben, stellen sie auch die entsprechende Diagnose.

Spiegel: Die angebliche Gesundheitskrise der Kinder – nur ein Schreckgespenst?

Kagan: Wir können nur philosophisch werden und fragen: Was ist eine psychische Erkrankung? Wenn man Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren interviewt, lassen sich bis zu 40 Prozent als ängstlich oder depressiv einstufen. Aber wenn man genauer hinschaut und fragt, wie viele in ihrem Leben davon ernsthaft beeinträchtigt sind, schrumpft die Zahl auf 8 Prozent. Es ist lächerlich, jedes Kind, das niedergedrückt und ängstlich wirkt, gleich als psychisch krank zu bezeichnen. Jugendliche sind ängstlich, das ist normal. Sie wissen nicht, auf welches College sie gehen sollen. Ihr Freund oder ihre Freundin hat sie gerade verlassen. Traurigkeit und Angst gehören genauso zum Leben wie Wut oder sexuelle Frustration.

Spiegel: Was bedeutet es, wenn Millionen amerikanischer Kinder fälschlich für psychisch krank erklärt werden?
Kagan: Nun, es bedeutet vor allem mehr Geld für die Pharmaindustrie und mehr Geld für Psychiater und Forscher. …”

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