12.01.13

Der Anwalt muss schlauer sein als der Richter


Nochmals: Der Anwalt muss schlauer sein als der RichterInhalt abgleichen

Rechtsgebiet: Familienrecht
Experte: Hans-Otto Burschel
Direktor des Amtsgerichts

28.11.2012
In einem einstweiligen Anordnungsverfahren hatte das FamG dem Vater nach mündlicher Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind der Beteiligten übertragen.

In der Rechtsmittelbelehrung führte das Gericht fälschlich aus, die Beschwerdefrist betrage einen Monat (richtig wäre zwei Wochen gewesen).
Prompt legte die anwaltlich vertretene Mutter verspätet Beschwerde ein.
Ihr Wiedereinsetzungsantrag blieb erfolglos.
Bemerkenswerte Begründung des OLG Saarbrücken:
Die Einführung der obligatorischen Rechtsbehelfsbelehrung in Verfahren nach dem FamFG hat daran nichts Grundsätzliches geändert, denn es gehört zu den allgemeinen Pflichten des Rechtsanwaltes, Fehlleistungen des Gerichts zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.

Auch ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen, zumal bei hinzutretenden Fehlern des Gerichts die Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben ist. Gleichwohl muss von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart - insbesondere die zu wahrenden Fristen - kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwaltes geführt hat. Auch in den Fällen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsmittelbelehrung kann es daher an der Ursächlichkeit zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung fehlen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte

Das Wissen um die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen eine vom Familiengericht erstinstanzlich erlassene einstweilige Anordnung gehört zu den absoluten Grundkenntnissen des familiengerichtlichen Verfahrens, mit denen ein auf dem Gebiet des Familienrechts tätiger Rechtsanwalt - schon aus Haftungsgründen - zwingend und ohne weiteres vertraut sein muss. Den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hätte sich daher auch ohne vertiefte Sachprüfung die hinsichtlich der Beschwerdefrist evidente Unrichtigkeit der vom Amtsgericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung aufdrängen müssen.

OLG Saarbrücken v. 07.11.2012 - 6 UF 390/12

http://blog.beck.de/2012/11/28/nochmals-der-anwalt-muss-schlauer-sein-als-der-richter 

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