09.02.13

Unfähige Gutachter glauben, die "Erziehungsfähigkeit" messen zu können...




...und deshalb glauben Juristen an psychologische und pädagogische Märchen...........

So behauptete ein Familienrichter, dass er davon überzeugt sei, dass die Gutachterin F. aus Laer tatsächlich in der Lage sei, über die Beobachtung einer halbstündigen Mutter-Kind-Interaktion herausfinden zu können, ob die Mutter in der Lage sei, kindangemessen mit ihrem Baby umgehen zu können.......

Die Märchentanten und Märchenonkels sind jene Gutachter, welche landauf und landab regelmäßig behaupten, sie könnten die Erziehungsfähigkeit mit psychologischen Methoden messen............

Verursacht haben diesen mittelalterlich anmutenden Wissenschaftsglauben zahlreiche unzureichend ausgebildete Psychologen und Pädagogen, welche ihren Lebensunterhalt mit ihrer Gutachtertätigkeit bestreiten und glauben, dass ihr oft Jahrzehnte zurück liegendes Psychologie- und Pädagogikstudium sie dazu befähigt habe, Menschen beweiskräftig "ausmessen" zu können. Richter schließen sich gutgläubig jenen omnipotenten und sich selbst überschätzenden GutachterInnen an und formulieren von GutachterInnen nicht zu beantwortende Fragestellungen wie z.B. am 25.05.2004 das Amtsgericht Mönchengladbach-Reydt:

"Es soll ein kinderpsychologisches Gutachten über die Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern eingeholt werden."
Auf geheimnisvolle Art und Weise kommen dann GutachterInnen zu dem Schluss:
"Aus psychologischer Sicht sind die Kindeseltern XY erziehungsunfähig"
Ein Gutachten mit einer solchen Schlussfolgerung ist nicht mit wissenschaftlichen Methoden erstellt worden und ist aus diesen Gründen nicht gerichtsverwertbar und beweiserheblich. Denn diese Gutachten geben vor, etwas gemessen zu haben, was so überhaupt nicht messbar ist.

Wer so gutachtet, läuft Gefahr, mit Schadensersatzansprüchen aus einem Falschgutachten haften zu müssen.Hier gilt dann nur noch das Prinzip: Wo kein Kläger ist kein Richter. Wehe, wenn die Betroffenen, sich gegen solche pseudowissenschaftlichen Gutachten wehren. Eine Gutachterin kostete ein solches Falschgutachten 30.000 Euro. Denn Gutachten müssen dem Stand der Wissenschaft entsprechen und dürfen nicht vorgeben, etwas zu messen, was man gar nicht messen kann.



Warum lässt sich nun eine "Erziehungsfähigkeit" gar nicht messen?

Das Wort "Erziehungsfähigkeit" unterstellt, dass Menschen eine "angeborene" und messbare Eigenschaft oder Fähigkeit besäßen, zu erziehen. Es wird unterstellt, dass man Menschen nur nach bestimmten Merkmalen untersuchen müsse und dann sagen könne, dass sie die Fähigkeit hätten zu erziehen. Dabei wird eine künstliche Unterteilung unternommen zwischen Menschen welche erziehen können und andere welche nicht erziehen können. Gleichzeitig wird unterstellt, dass für eine förderliche Entwicklung eines Kindes nur die "richtige" Erziehung zum Erfolg führe. Kinder werden hier wie ein Stück Knete betrachtet: Wer die richtigen "Modellierfähigkeiten" sprich Erziehungsfähigkeiten besäße, so wird geglaubt, kann aus dem Stück Knete einen psychisch gesunden Menschen formen......

Wenn Sie die Gutachter danach fragen, an welchen Merkmalen sie nun erkennen können, dass ein Mensch erziehungsfähig sei, bekommen sie grundsätzlich keine klaren Antworten und schon gar keine wissenschaftlich fundierten Begründungen. Denn:


Das Konstrukt „Erziehungsfähigkeit“ birgt dabei folgende Schwierigkeiten, welche in gutachterlicher Hinsicht zur Unmöglichkeit einer Beantwortung der Beweisfrage führt:

Das Konstrukt "Erziehungsfähigkeit" kennt weder die Pädagogik (=Wissenschaft von der Erziehung) noch die Sozial-Pädagogik:
In den Erziehungswissenschaften ist eine „Erziehungsfähigkeit“ als besondere mess- oder beschreibbare Eigenschaft nicht bekannt. Jeder Sozialarbeiter oder Sozialpädagoge der behauptet man könne "Erziehungsfähigkeit" konkret umschreiben hat keine Ahnung.

Das Konstrukt "Erziehungsfähigkeit" ist auch in der Psychologie unbekannt
Auch die wissenschaftliche Psychologie kennt das Konstrukt „Erziehungsfähigkeit“ nicht: Siehe dazu die Ausführungen von Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Klenner, Oerlinghausen (in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ, 1989, Heft 8, Seiten 804-809,Vertrauensgrenzen des psychologischen Gutachtens im Familienrechtsverfahren)

„ In den psychologischen Sachverständigengutachten finden sind immer wieder Aussagen über die Eignung der Eltern zur Erziehung ihres Kindes. Die Vorstellung, eine positiv zu konstatierende erzieherische Eignung der Kindeseltern ließe sich als entscheidendes Kriterium feststellen, hat in der Tat etwas Bestechendes für sich. Unausgesprochen wird dabei von der Fiktion ausgegangen, beide Elternteile verfügten über eine graduell unterschiedliche erzieherische Eignung, und dies ließe sich auch noch mit der wissenschaftlich gebotenen Exaktheit diagnostizieren. Leider haben wir aber keine speziell für die erzieherische Eignung geeichten psychologischen Untersuchungsverfahren. Darum sind Aussagen über ein Mehr oder Weniger an erzieherischer Eignung bei den Kindeseltern Extrapolationen anderer Untersuchungsergebnisse, also nicht exakt, wenn sie nicht gar subjektive Meinungen und Deutungen sind.“(Zitat Ende – Hervorhebungen Unterzeichner)
Es existieren keine anerkannten wissenschaftlichen Methoden um das Konstrukt „Erziehungsfähigkeit“ in beweiserheblichem Sinne messen zu können.

Auch wenn die Autoren Westhoff und Kluck hier glauben, es handele sich um seltene Fälle, wenn das Gericht Fragestellungen vorlegt, zu denen in der Psychologie kein Wissen vorliegt:
„In seltenen Fällen werden Fragestellungen geäußert, zu denen in der Psychologie kein Wissen vorliegt bzw. kein Wissen vorliegen kann, weil die empirische Untersuchung solcher Sachverhalte prinzipiell nicht möglich ist. [..] Handelt es sich also um eine prinzipiell nicht zu beantwortende Fragestellung, so erklären wir dies dem Fragesteller. Im Gespräch kann eventuell gemeinsam eine Fragestellung zur Lösung des Problems gefunden werden, die auch untersucht werden kann.“(Westhoff, Karl, Kluck, Marie-Luise „Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen, 5., vollst. überarb. u. erw. Aufl., 2008, X, 280 S., Geb. ISBN: 978-3-540-46837-0)
so sagen sie ganz klar, wie ein Gutachter zu reagieren hat, damit er seinen Auftrag erfüllen kann.


FAZIT:
Eine wissenschaftlich fundierte Aussage zur Frage, ob jemand erziehungsfähig sein soll, ist nicht möglich. Im juristischen Sinne lässt sich daher weder beweisen ob jemand „erziehungsfähig“ ist, noch lässt sich generell eine Aussage treffen, dass eine Person „erziehungsunfähig“ sein könne. Auch die öfters in Gutachten anzutreffende Feststellung einer „eingeschränkten“ Erziehungsfähigkeit lässt sich mit wissenschaftlichen und damit beweiserheblichen Methoden nicht belegen.

Jedes Gutachten welches für sich in Anspruch nimmt, die Erziehungsfähigkeit gemessen zu haben ist nicht verwertbar !
Daher sollten Sie umgehend einem solchen Gutachten widersprechen und ein Gegengutachten beantragen. Wichtig ist dabei darauf hinzuweisen, dass die Messung der Erziehungsfähigkeit mit den für Gutachten geforderten wissenschaftlichen Methoden nicht möglich ist.
Nach Abschluss des Verfahrens sollten Sie solche Gutachter verklagen, denn sie haben ihr Gutachten nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen verfasst. Bleibt Ihnen nur zu wünschen, dass das Gegengutachten von einem Gutachter erstellt wird, welcher die notwendige Kompetenz hierfür hat, denn Untersuchungen haben ergeben, dass mehr als 50% der Gutachten nicht den geforderten wissenschaftlichen Standards entsprechen....



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