15.07.13

Justizdrama nach sexuellem Missbrauch - Kreis Birkenfeld - Erst wird ihr Kind jahrelang missbraucht, jetzt soll den Eltern das Sorgerecht für die Tochter entzogen werden.



dpa
 
Ein Ehepaar aus dem Kreis Birkenfeld ist verzweifelt. Und allem Anschein nach wenden sich alle Beteiligten gegen Vater und Mutter: Therapeutin, Jugendamt, schließlich die Tochter selbst, auch der Richter.
Rückblick: Die Tochter ist gerade erst fünf Jahre alt, da wird sie vom Bruder der Mutater das erste Mal sexuell missbraucht. Es bleibt nicht bei diesem einen Mal, für die Kleine beginnt ein Martyrium. Immer wieder, wenn sie den Onkel in der Eifel besucht, geschieht das Unfassbare. Niemand merkt etwas.
Zehn Jahre lang geht das so, das Mädchen ist mittlerweile 14, dann kommt alles ans Tageslicht – endlich. Der Täter, mit Doktortitel und in der Führungsetage einer großen Firma tätig, wird zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Jedoch wird der Kinderschänder frühzeitig freigelassen.

Die schier unglaublichen Übergriffe sind nun zwar vorbei, doch der geschundene Teenager ist in sich gekehrt, verstört, kommt in der Schule nur schwer mit. Immer wieder treibt die Mutter das pubertierende Mädchen an, will es aufmuntern, unterstützen. Gleichzeitig beginnt die gebrochene 14-Jährige eine Therapie. Doch weil die Chemie unter den Beteiligten nicht stimmt, folgt der ersten Ansprechpartnerin schnell eine zweite Therapeutin. Doch die – das wollen die Eltern mittlerweile herausgefunden haben – therapiert die Tochter gegen Mutter und Vater.


Gespräche bleiben nebulös


Nicht nur die Jugendliche besucht regelmäßig die Therapeutin, die erst vor gut zwei Jahren in den Kreis Birkenfeld gezogen ist. Auch die Eltern sprechen immer wieder mit der Frau. Doch die Gespräche sind nicht konkret, bleiben nebulös, es geht mehr um Nebensächliches, Andeutungen überwiegen. Die Eltern, unsicher, wissen nicht, wie sie reagieren sollen.
Mitten in dieser Zeit vertraut die mittlerweile 17-jährige Tochter dem Vater an, sie sei lesbisch, habe eine Freundin. Die Eltern sind zunächst ratlos, akzeptieren dann die Situation. Sie bieten ihrem Kind sogar an, mit Partnerin das gerade für die Tochter ausgebaute Atelier im Obergeschoss zu beziehen. Doch zu diesem Zeitpunkt arbeitet die Therapeutin längst gegen das Ehepaar, drängt – so die Behauptung von Vater und Mutter – die Tochter auszuziehen. Von Betreutem Wohnen ist die Rede.
Noch geht die 17-Jährige zur Schule. Eines Abends kommt es zu einem wohl vorentscheidenden Zwischenfall. Die Mutter möchte mit ihrer Tochter lernen – die Versetzung ist gefährdet, eine wichtige Arbeit steht an – und bittet deshalb die Freundin zu gehen. Das will die Tochter nicht zulassen, so berichtet die Mutter. Es kommt zu Rangeleien. Die Tochter will unbedingt das Haus verlassen, die Mutter dies verhindern. Es wird am Arm gezogen, man verliert das Gleichgewicht, beide fallen zu Boden. Der Vater kommt hinzu, auch er stürzt. Die Freundin der Tochter holt die Polizei. Drei Beamte erscheinen, stellen nach mehrmaligem Fragen fest, dass niemand verletzt ist. Eine Anzeige erfolgt nicht. So die Schilderung des Ehepaares.
Die Tochter aber geht am nächsten Tag zum Jugendamt, will nicht mehr nach Hause. Die Schule besucht sie auch nicht mehr. Vater und Mutter beantragen bei Gericht ein Umgangsverbot. Die Freundin soll ihre Tochter nicht mehr sehen dürfen. Der Antrag wird abgelehnt, ohne Begründung. Stattdessen wird den Eltern wenig später von Gerichtsseite mitgeteilt, dass ihnen das Sorgerrecht für ihre Tochter vorläufig entzogen wird. Grund: Das Kindeswohl sei gefährdet. Mehr nicht. Es kommt noch dicker: Wiederum einige Tage danach liegt ein weiteres Schreiben des Gerichts im Briefkasten. Die Eltern sollen sich von einem Gutachter untersuchen lassen. Er soll herausfinden, ob sie noch sorgefähig sind. Rechtsmittel dagegen können die Eltern nicht einlegen.


Fantasie oder abgekartetes Spiel?


Warum reagiert die Therapeutin so?, fragen sich Mutter und Vater. Ist es ihre Arbeitsweise? Die Tochter einer Bekannten, die ebenfalls von dieser Frau therapiert wurde, berichtet von ähnlichen Erlebnissen. Warum aber handelt das Jugendamt so? Spielen die 18 000 Euro Schmerzensgeld, die der Täter gezahlt hat, eine Rolle? Der Vater fürchtet sogar, dass die Behörden an das Vermögen des Ehepaares, das zudem zwei Häuser besitzt, rankommen will. Alles nur Fantasie? Oder abgekartetes Spiel? Hat womöglich der wegen Missbrauchs verurteilte Täter seine Finger im Spiel? Ein weiterer Bruder ist Polizist. Bemerkenswert: Auch seine Tochter wurde nachweislich von dem Verurteilten missbraucht. Angeblicher Kommentar des Polizisten: Das war doch nicht so schlimm. Hat auch er etwas mit der Sache zu tun? Wer hängt alles drin in der Geschichte? Die Therapeutin wohnte vor wenigen Jahren gar nicht so weit von beiden entfernt. Zufall?
Vor allem aber fragen sich die Eltern, warum niemand mit ihnen spricht. Die Therapeutin nicht, die Vertreter des Jugendamtes nicht, der Richter ebenfalls nicht. „Niemand redet mit uns“, betonen sie, „das ist eine Katastrophe.“

Ein Funken Hoffnung besteht allerdings. Als jetzt vor Gericht endgültig über den Entzug des Sorgerechts verhandelt wurde, wird den Eltern erstmals Gehör geschenkt. Nachdem Vater und Mutter fast eine Stunde ihre Sichtweise darstellen, unter anderem den Jugendamtsmitarbeiter vehement der Lüge bezichtigen und der Betroffene noch nicht einmal dementiert, bricht der Richter – übrigens der gleiche, der den vorläufigen Sorgerechtsentzug anordnete – die Verhandlung plötzlich ohne Angabe von Gründen ab und vertagt. Sollte nun doch ein Umdenken erfolgen?

Von unserem Redakteur Andreas Nitsch
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